Katrin Uhlig, Bündnis 90 / Die Grünen


1. Kindergrundsicherung

Zentrale Forderung des RTKA zur Bekämpfung von Kinderarmut ist die Einführung einer Kindergrundsicherung, deren Höhe die Lebenshaltungskosten (inklusive sozio-kulturelles Existenzminimum) eines Kindes bzw. Jugendlichen umfassend absichert. Sie soll so gestaltet sein, dass der Empfang von Grundsicherung nach SGB II damit überflüssig wird.

Was ist das Konzept Ihrer Partei zum Thema Kindergrundsicherung? Wie stehen Sie dazu?

In einem reichen Land wie Deutschland darf kein Kind in Armut aufwachsen – doch vor allem bei Alleinerziehenden oder Geringverdienenden mit Kindern reicht das Geld oft vorn und hinten nicht. Jedes Kind verdient unsere Unterstützung. Daher wollen wir Familien stärken mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung: der Kindergrundsicherung. Unser Vorschlag: Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe in eine neue eigenständige Leistung zusammenzufassen. Mit der Kindergrundsicherung bekommt jedes Kind einen festen Garantie-Betrag, Kinder in Familien mit geringen oder gar keinem Einkommen bekommen zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Je niedriger das Familieneinkommen, desto höher der GarantiePlus-Betrag. Nach einmaliger Beantragung bei Geburt wird die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch berechnet und ausgezahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an und Schritt für Schritt beenden wir Kinderarmut. Sie ist gerecht, denn Kinder, die mehr brauchen, bekommen auch mehr. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder zum Leben brauchen.

Im Mittelpunkt der Kindergrundsicherung steht das Kind. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – ihre Bedarfe lassen sich nicht von denen Erwachsener ableiten und sie gehören auch nicht in das Hartz IV-System des Förderns und Forderns für Erwerbssuchende.
Die Kindergrundsicherung ist deshalb eine eigenständige Leistung des Kindes. Sie wird nicht bei den Eltern als Einkommen angerechnet, wenn diese Sozialleistungen beziehen. Die Kindergrundsicherung hält nur dann, was ihr Name verspricht, wenn sie allen Kindern Lebenschancen eröffnet. Kinderarmut ist in Deutschland schon viel zu lange skandalös weit verbreitet. Kinder können nicht warten. Sie brauchen jetzt Unterstützung. Deshalb halten wir in Anlehnung an einschlägige Fachexpertisen eine deutliche und zügige Erhöhung der jetzigen Mindestbedarfe für notwendig.
Wir wollen Fehler in der Bedarfserhebung korrigieren und der bestehenden Statistikmethode, mit der die Höhe der Kinderregelsätze ermittelt werden, neue Prämissen zu Grunde legen, um unmittelbar jedem Kind soziokulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Wir orientierten die Kinderregelbedarfe stärker an dem, was die gesellschaftliche Mitte zum Leben ausgibt.
Denn alle Kinder sollen die Chance haben, im Sportverein mitzumachen, ab und zu ins Kino zu gehen oder mit den besten Freunden im Freibad ein Eis zu essen. Die Regelsätze leiten sich aus den Ausgaben einer Referenzgruppe ab. Die Praxis der nachträglichen und willkürlichen Streichung von Ausgabenpositionen beenden wir. So wie die Kosten für den Einkauf im Supermarkt, für neue Kleidung oder für die Kinokarte steigen, ist auch die Kindergrundsicherung in ihrer Höhe dynamisch angelegt. Sie orientiert sich an der aktuellen Einkommens- und Verbraucherstatistik und dem alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorzulegendem Existenzminimumbericht.

Die Garantiesicherung ist ein individuelles Recht und soll sich an den Prinzipien der Teilhabeund der Bedarfsgerechtigkeit orientieren und ohne weitere Bedingungen für jeden Menschen gelten, dessen eigene finanzielle Mittel nicht ausreichen. Sie soll Sicherheit geben und die konkrete Lebenssituation und den Wohnort berücksichtigen
Wohnungs- und Heizkosten gehören zu den Grundbedarfen eines jeden Kindes und müssen deshalb im Existenzminimum berücksichtigt werden – sowohl im Sozial- als auch im Steuerrecht. Die Kindergrundsicherung enthält deshalb eine Pauschale für Wohn- und Heizkosten, die sich aus dem Existenzminimumbericht ableitet. Wohn- und Heizkosten sind jedoch regional sehr unterschiedlich.
Höhere Belastung bei z.B. regelmäßig anfallende Kosten wie Strom sollen grundsetzlich über die Grundsicherung der Eltern abgedeckt werden. Dies Beinhaltet alle mehrbelastungen aufgrund jeweiliger technischer oder ökologischer Standards.

Kinder, die den GarantiePlus-Betrag bekommen, werden bisherige BuT-Leistungen, die sie einzeln und aufwändig beantragen mussten, künftig viel einfacher erhalten. Die Kosten für Klassenfahrten, Tagesausflüge oder Lernförderung sollen möglichst gesammelt über die Schulen oder Kitas bei dem örtlichen Leistungsträger beantragt werden. Ein warmes Mittagessen und Fahrten mit Bus und Bahn müssen den Kindern kostenlos und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden. Die Bedarfe zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gehen in der Kindergrund-sicherung auf. Das Schulstarterpaket bekommt jedes Kind, das den GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung erhält, automatisch zu Beginn des Schuljahres bzw. des Schulhalbjahres ausgezahlt. Damit alle Kinder auch wirklich bekommen, was ihnen zusteht, schaffen wir aufwändige Einzelanträge ab. Zugleich ist es essentiell, vor Ort ein niedrigschwelliges Angebot von Teilhabemöglichkeiten weiter auszubauen. Dazu gehören Familienzentren oder Musikschulen genauso wie öffentliche Freibäder oder Jugendclubs. Kinder, die den GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung erhalten, haben weiterhin Anspruch auf individuelle Mehr- und Einmalbedarfe. Dazu gehört die Erstausstattung bei der Geburt, besondere therapeutische Bedarfe wie orthopädische Schuhe oder spezielle Ernährung bei Allergien.


2. Teilhabe junger Menschen

Der Runde Tisch gegen Kinder- und Familienarmut (RTKA) spricht sich in seinem Forderungspapier für einen umfassenden Ausbau der Teilhabe junger Menschen als Teil der Daseinsvorsorge und – fürsorge aus.

Welche Maßnahmen zur Stärkung der Teilhabe junger Menschen wollen Sie durchsetzen, wenn Sie Mitglied des Bundestages werden?

Kinder müssen sich bestmöglich und frei entfalten können. Dabei haben sie ein Recht auf besonderen
Schutz, Förderung und Beteiligung. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sondern haben ganz eigene Bedürfnisse, die bei Entscheidungen angehört, mitgedacht und abgewogen werden müssen. Wir werden deshalb sicherstellen, dass das Wohl von Kindern bei staatlichen Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommt. Deshalb müssen starke Kinderrechte entlang der Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz.
Mit einem Nationalen Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung wollen wir sicherstellen, dass alle Kinder und Jugendlichen über ihre Rechte informiert sind und unabhängig vom soziokulturellen Hintergrund, altersgerecht und niedrigschwellig Beteiligung leben können. Die Jugendarbeit spielt hierbei eine wichtige Rolle, darum wollen wir die Jugendverbände mit einem Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken.
Werdende Demokrat*innen brauchen Mitmach- und Medienkompetenz sowie politische Bildung, die wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen und Jugendhilfe konzeptionell und finanziell stärken.
Beim Aufbau oder der Auswahl von Angeboten im Sozialraum, bei allen Bau- und Wohnumfeldmaßnahmen, die Kinder und Jugendliche betreffen, werden wir sie beteiligen, ihr Wohl sichern und dies im Baugesetzbuch berücksichtigen.

Eine reine Ausweitung von Leistungen greift unser erachtens zu kurz. Wir setzen uns für eine lange überfällige und grundsätzliche Umgestaltung und Entflechtung der Sozialsysteme ein, welche auf solidarischen,bedarfsgerechten und wirtschaftlich fundierten Grundprinzipien basiert.
Dabei darf gute Versorgung nicht vom Geldbeutel abhängen. Alle Menschen müssen sich darauf verlassen können, auch künftig gut versorgt zu werden. Wir wollen Solidarität, Gerechtigkeit und Wahlfreiheit in unserem Krankenversicherungssystem mit der Bürgerversicherung stärken.
Die Folgen der Pandemie und vor allem die teuren Gesetze von Union und SPD haben z.B. zu einer Schieflage der gesetzlichen Krankenversicherung geführt. Zudem werden der medizinische Fortschritt und zum Teil auch der demographische Wandel die Ausgaben in unserem Gesundheitswesen weiter ansteigen lassen.
Damit auch künftig alle Menschen unabhängig vom Geldbeutel die Versorgung bekommen, die sie brauchen, benötigt unser Gesundheitswesen eine solide und verlässliche finanzielle Basis: die Bürgerversicherung. Alle gesetzlich und privat Versicherten beteiligen sich solidarisch und gerecht an der Finanzierung des Gesundheitswesens. Und alle Versicherten haben die Absicherung, die sie benötigen.

Die bisherige Bundespolitik versagt dabei, arme Kinder und Familien wirksam zu unterstützen. Wir brauchen endlich existenzsichernde Regelsätze für Kinder und kostenfreie Angebote vor Ort bei Mittagessen, Nachhilfe, Sport, und Kultur. Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung und Teilhabe. Wollen wir dies sicherstellen, dann müssen wir das komplizierte Wirrwarr unterschiedlicher Sozialleistungen entflechten und die Einführung einer unbürokratischen Kindergrundsicherung auf den Weg bringen.

Grundsätzlich haben die Grünen im Bundestag ein Konzept für den Mobilpass vorgelegt: kostengünstig, vernetzt über alle Verkehrsträger, leicht zu nutzen. Und besonders kostengünstig für sozial schwächere Menschen, wie zum Beispiel junge Menschen. Allerdings kostet ein gutes ÖPNV-Angebot auch Geld und muss bezahlt werden. Über die Einführung neuer Finanzierungswege sollten die Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit entscheiden.
Zu den Zielen für die Verkehrswende in NRW gehören Schritt für Schritt zum Bürger*innen-Ticket zu kommen. Los geht’s mit kostenfreien Tickets für Schüler*innen und junge Menschen bis 18 Jahre. Dann bauen wir bauen soziale Tickets und Jobtickets aus. Wir unterstützen vor Ort Modellversuche für solidarisch finanzierte Bürger*innentickets und führen dies in 10 Jahren in ganz NRW flächendeckend ein.

Wir fordern einen Nationalen Aktionsplan für Kinder-und Jugendbeteiligung, um institutionelle Beteiligungsstrukturen zu schaffen und eine Informationskampagne über Kinderrechte und Beschwerdemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Damit Beteiligung nicht abstrakt bleibt, ist es wichtig, Ergebnisse und Konsequenzen aus Beteiligungsprozessen zu ziehen.

Die Förderung und Stärkung der politischen Bildung ist uns sehr wichtig. Die Jugendarbeit spielt hierbei eine zentrale Rolle, darum wollen wir die Jugendverbände mit einem Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken. Werdende Demokrat*innen brauchen Mitmach- und Medienkompetenz sowie politische Bildung, die wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen und Jugendhilfe konzeptionell und finanziell stärken.

Unsere Demokratie hat ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen Jugendliche und Kinder ausgeblendet werden. Die Jugend ist politisch. Gleiches gilt für die vielen Menschen, die nicht wählen dürfen, obwohl sie hier leben und Teil unserer Gesellschaft sind. Entsprechend wollen wir Wahlhürden schrittweise abbauen, das Wahlalter deutlich absenken und weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf
allen Ebenen ausbauen.
Die Stimme der Jugend sollte nicht nur gehört werden, sondern auch zählen. Eine Reihe von Bundesländern hat bereits in ihren Wahlgesetzen die Beteiligung von Jugendlichen bei Landtags- und Kommunalwahlen ab dem 16. Lebensjahr ermöglicht. Mit der Herabsetzung des Wahlalters wird den Jugendlichen Vertrauen in ihr Urteilsvermögen und ihre politische Willensbildung zugestanden und sie in ihrer Beteiligung gestärkt und ermutigt. Zudem wirkt dies als korrigierende Maßnahme für eine stärkere Generationengerechtigkeit in einer Gesellschaft, in der das durchschnittliche Wahlalter seit Jahren steigt (so waren 2017 36 % alle Wahlberechtigten für die Bundestagswahl über 60 Jahre gegenüber z. B. 26 % im Jahr 1987).
Demokratie lebt von der Gestaltung und dem Engagement aller Bürger*innen, vom Kindes- bis ins hohe Alter. Viele politische Entscheidungen von heute sind entscheidend für die Zukunft junger Menschen, und viele junge Menschen übernehmen früh Verantwortung für die Gesellschaft. Wenn Jugendliche in ihrem Lebensalltag demokratische Erfahrungen machen und ihre Rechte wahrnehmen können, stärkt das die Demokratie und macht sie zukunftssicherer. Darum werden wir uns dafür einsetzen, das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre abzusenken.


3. Kommunalfinanzen

Ob Schule, Jugendhilfe, Sozialwesen oder Freizeitangebote – für die Bereitstellung und Finanzierung dieser sozialen Infrastruktur sind in erster Linie die Kommunen verantwortlich. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist nicht ausreichend, um die nötige soziale Infrastruktur allen jungen Menschen zugänglich zu machen und weiter zu entwickeln.

Wie wollen Sie das ändern? Wo sehen Sie einen besonderen Handlungsbedarf?

Neben der finanziellen Absicherung der Lebenshaltungskosten von Kindern und Jugendlichen spielt bei der Prävention und der Bekämpfung von Kinderarmut die lokale soziale Infrastruktur eine entscheidende Rolle. Insbesondere für die Bereiche der Schule, der Jugendhilfe und des Sozialwesens formulieren die entsprechenden Gesetze des Bundes (insbesondere SGB VIII) und des Landes (z.B. SchulG, AGKJHG) wichtige Standards. Des Weiteren spielt auch der Zugang zu freizeitangeboten sowie kulturellen und sportlichen Einrichtungen eine wichtige Rolle für die Teilhabe am sozialen Leben.
Für die Bereitstellung und Finanzierung dieser sozialen Infrastruktur sind in erster Linie die Kommunen verantwortlich. In den letzten Jahren lässt sich beobachten, dass die finanzielle Ausstattung der Kommunen jedoch nicht mehr ausreichend ist, um diese Infrastruktur allen zugänglich zu machen und weiter zu entwickeln.

Es gibt viele wohlhabende, aber auch viele finanzschwache Kommunen. Sie können es sich heute nicht mehr leisten, in die Gestaltung ihrer Stadt oder Gemeinde zu investieren. Sie müssen die lokalen Steuern heraufsetzen oder auf Investitionen verzichten.
Wir wollen eine starke kommunale Selbstverwaltung. Wir wollen, dass Kommunen ihren Bürgerinnen und Bürger gute Kindertagesstätten, bezahlbaren Wohnraum und einen guten öffentlichen Nahverkehr anbieten und ihre Bürger zum Mitmachen einladen können.
Um den Kommunen wieder eigene Gestaltungsspielräume zu öffnen, muss sich der Bund strukturell an der Finanzierung der sozialen Ausgaben, an der Sanierung der Schulen und der drückenden Schuldenlast der Kommunen beteiligen.
Was Städte und Gemeinden jetzt brauchen, ist Planungssicherheit: Die Koalition sollte rechtzeitig signalisieren, dass sie den Kommunen, wo nötig, unter die Arme greift und mit einer Altschuldenhilfe unterstützt. Nur so sind die Kommunen investitionsfähig.


4. Förderung der Ausbildung

Der RTKA spricht sich dafür aus, die unterstützenden Beträge (Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe) für sich in Ausbildung oder Studium befindliche junge Menschen so zu erhöhen, dass eine Konzentration auf das Studium oder die Ausbildung möglich ist.

Wie stehen Sie dazu? Welche Maßnahmen würden Sie ergreifen?

Weil berufliche und akademische Bildung für uns gleichwertig sind, macht die Grundsicherung für Studierende und Auszubildende Schluss mit einer Ungerechtigkeit im BAföG: Volljährige Auszubildende in vollzeitschulischen Ausbildungen sollen künftig die gleichen Fördersätze wie Studierende erhalten, denn ihr Bedarf für Miete, Kleidung und Essen ist an Fachschulen oder Berufskollegs nicht geringer als der von Studierenden auf dem Hochschul-Campus. Auch Auszubildende im Betrieb gewinnen mit den Grünen Grundsicherungskonzepten. Sie bekommen ebenfalls den Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung. Statt des Bedarfszuschusses erhalten sie als zweite Säule ihre betriebliche Ausbildungsvergütung, mindestens in Höhe der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung. Diese soll allen Auszubildenden grundsätzlich ein eigenständiges Leben ermöglichen. Sie muss mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Vergütungen betragen. Deckt die Ausbildungsvergütung das Existenzminimum und die tatsächlich anfallenden Mietkosten nicht vollständig ab, wird diese bei Bedarf durch die Berufsausbildungsbeihilfe aufgestockt.

Die beschriebenen grünen Grundsicherungskonzepte, die Ausbildungsvergütung sowie Bedarfszuschuss würden auch in diesem Fall greifen.

Auch Auszubildende in der beruflichen Bildung profitieren von dem von uns vorgeschlagenen Systemwechsel. Wie Studierende erhalten auch sie den Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung bis zum 25. Geburtstag direkt ausgezahlt. Wer eine schulische Ausbildung macht, kann zusätzlich zum GarantieBetrag einen Bedarfszuschuss beantragen. Wie das heutige Schüler-BAföG muss dieser nicht zurückgezahlt werden. Volljährige Auszubildende in vollzeitschulischen Ausbildungen sollen künftig die gleichen Fördersätze wie Studierende erhalten, denn ihr Bedarf für Miete, Kleidung und Essen ist an Fachschulen oder Berufskollegs nicht geringer als der von Studierenden auf dem Hochschul-Campus. Auch Auszubildende im Betrieb gewinnen mit den grünen Grundsicherungskonzepten. Sie bekommen ebenfalls den Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung. Statt des Bedarfszuschusses erhalten sie als zweite Säule ihre betriebliche Ausbildungsvergütung, mindestens in Höhe der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung. Diese soll allen Auszubildenden grundsätzlich ein eigenständiges Leben ermöglichen. Sie muss mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Vergütungen betragen. Deckt die Ausbildungsvergütung das Existenzminimum und die tatsächlich anfallenden Mietkosten nicht vollständig ab, wird diese bei Bedarf durch die Berufsausbildungsbeihilfe aufgestockt.

Es gibt so viele Studierende wie nie zuvor. Fast drei Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland an einer Hochschule eingeschrieben. Die soziale Schieflage beim Hochschulzugang ist aber geblieben. Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien beginnen 79 ein Hochschulstudium. Bei Nicht Akademikerfamilien studieren gerade einmal 27 von 100 Kindern. Dieses Missverhältnis wollen wir beseitigen und Aufstieg durch Bildung für alle möglich machen. In einer modernen Wissensgesellschaft müssen persönliche Neigungen und Interessen junger Menschen über die berufliche Zukunft entscheiden, nicht die Jobs, das Gehalt oder die Bildungsabschlüsse ihrer Eltern. Die grüne Grundsicherung für Studierende besteht aus zwei Elementen, dem Garantie-Betrag und dem Bedarfszuschuss. Den Garantie-Betrag von 290 Euro erhalten alle Studierenden unter 25 Jahre. Er entspricht der maximalen Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge im Steuerrecht. Als derzeitiger Ausgangspunkt liegt der Garantie-Betrag der Grundsicherung wie bei der Kindergrundsicherung bei 290 Euro. Der Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung ist damit die elternunabhängige Basissicherung für alle Studierenden und wird als hundertprozentiger Zuschuss gezahlt. Er soll gerade diejenigen anreizen, ein Studium aufzunehmen, die ein Studium bisher aus Unsicherheit über die Finanzierung oder Angst vor Verschuldung für sich ausgeschlossen haben. Der Garantie-Betrag wird direkt und automatisch ohne kompliziertes Antragsverfahren an die Studierenden ausgezahlt. Der Umweg über das Konto oder die Steuererklärung der Eltern, wie es beim Kindergeld oder den steuerlichen Freibeträgen der Fall ist, entfällt. Der zweite Baustein der Grundsicherung für Studierende ist der Bedarfszuschuss. Er wird bedarfsabhängig gezahlt. Seine Höhe richtet sich stets nach der Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern sowie der Studierenden. Wir wollen, dass das Existenzminimum auch für Studierende gesichert ist. Deshalb entspricht die maximale Höhe des Bedarfszuschusses den sozialrechtlichen Regelsätzen, die aktuell bei 432 Euro liegen. Analog zur schrittweisen Anhebung der Regelsätze im Rahmen der grünen Garantiesicherung wird auch der Bedarfszuschuss angehoben, so dass Studierende am Ende bis zu 603 Euro erhalten können.2 Bei Studierenden unter 25 Jahren wird der Garantie-Betrag von 290 Euro mit dem Bedarfszuschuss verrechnet. Garantie-Betrag und Bedarfszuschuss sind damit sich ergänzende Bausteine, die eine zielgerichtete und existenzsichernde Unterstützung für alle Studierenden ermöglichen.

Die Grundsicherung ist ein Baustein im grünen integrierten Gesamtkonzept zur Sicherung des Lebensunterhalts. Bildung ist ein Menschenrecht. Eine gerechte, offene und innovative Gesellschaft braucht gute Bildung für alle. Alle Menschen in Deutschland sollen ihr Recht auf Bildung tatsächlich wahrnehmen können, ohne an finanziellen Hürden oder der Angst vor Verschuldung zu scheitern. Denn gute Bildung ist beste Voraussetzung für individuelle Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben. Eine gut gebildete, qualifizierte Bevölkerung ist das Fundament, Wirtschaft und Gesellschaft weiterzuentwickeln und die ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Staatliche Aufgabe ist es, individuelle Förderung, gleiche Chancen und Aufstieg für alle zu garantieren.


5. Bezahlbarer Wohnraum

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist ein zentrales Problem unserer Städte. Wie kann für einkommensschwache Familien und junge Menschen preiswerter Wohnraum geschaffen werden?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die BImA ihre Wohnungen wieder in einem bewohnbaren Zustand versetzt und diese für den kommunalen Wohnungsmarkt frei gibt?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Bund als einer der größten Arbeitgeber in Bonn Wohnungen für seine Bediensteten schafft und damit den Wohnungsmarkt entlastet?

Um bezahlbaren und preiswerten Wohnraum gewährleisten zu können muss die Problematik vielschichtig angegangen werden.
Eigentum verpflichtet gesellschaftlich. Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialpflichtigkeit, weil sie unvermehrbar und unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und Boden verstärkt in öffentliches oder gemeinwohlorientiertes Eigentum überführt werden. Bodenwertsteigerungen müssen gedämpft und bei Planungsrechtsänderungen die öffentliche Hand beteiligt werden. Der Staat muss dabei für vielfältige Besitzstrukturen sorgen und eine gerechte Verteilung fördern. Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem oder gemeinschaftlichem Eigentum und eine stärkere Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag zu einer gemeinwohlorientierten Wohnwirtschaft.
Das Recht auf Wohnen soll im Grundgesetz verankert werden. Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein. Es braucht darüber hinaus ein starkes und soziales Mietrecht, das den unterschiedlichen Wohnungsmärkten gerecht wird, und bessere Instrumente für eine gesetzliche Begrenzung der Miethöhe und eine gesetzlich verankerte Mieter*innenMitbestimmung. Es braucht dringend Maßnahmen gegen Spekulation mit Wohnraum und eine entschlossene Bekämpfung der Geldwäsche mit Immobilien sowie der zunehmenden Vermögenskonzentration über den Immobilienmarkt.
Überdies scheitert das Bauen derzeit oft am Bauland. Das kommunale Bau-und Planungsrecht sieht aber heute schon eine Baupflicht vor. Diese muss bei Bedarf durchgesetzt werden.
Das kommunale Vorkaufsrecht soll gestärkt werden. Darüber hinaus sollte die Ausübungsfrist von zwei Monaten verlängert werden und auch bei Share Deals und Zwangsversteigerungen gelten.
Bei Share Deals werden nicht Wohnungen sondern Anteile an Unternehmen, die Wohnungen besitzen, gekauft. Die meisten Share Deals fallen heute nicht unter die Grunderwerbssteuer und sind deshalb ein Haupttreiber der Spekulationen mit Wohnungen. Die Mieten aber steigen bei jedem Kauf und Verkauf. Die Share Deals im Immobilienbereich müssen unterbunden werden und der vollen Steuerpflicht unterliegen. Eine Wiederveräußerungssperre bei Immobiliengeschäften soll kurzfristige Spekulationsgewinne verhindern
Nur durch das Zusammenspiel der vielfältigen Maßnahmen kann gewährleistet werden, dass einkommensschwache Familien und junge Menschen Zugang zu preiswertem Wohnraum haben.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die BImA ihre Wohnungen wieder in einem bewohnbaren Zustand versetzt und diese für den kommunalen Wohnungsmarkt frei gibt?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Bund als einer der größten Arbeitgeber in Bonn Wohnungen für seine Bediensteten schafft und damit den Wohnungsmarkt entlastet?
Wohnen ist auch eine soziale Frage. Um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen, ist ein hoher Bestand an öffentlichem oder gemeinnützigem, langfristig sozial gebundenem Wohnraum nötig, der möglichst dauerhaft in der Bindung bleiben sollte. Wohnraum und Boden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Das Ziel ist eine gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft, eine „Neue Wohngemeinnützigkeit“. Projekte, Initiativen und Gesellschaften des gemeinschaftlichen, genossenschaftlichen, alternativen oder generationsübergreifenden Wohnens sollen unterstützt werden.
Die öffentliche Hand braucht einen Grundstock an Wohnungen. Es war ein Fehler, dass diese in den letzten Jahrzehnten aufgelöst und privatisiert wurden. Es braucht ein Wohnungsbauprogramm für deutsche Städte in einem viel größeren Umfang als es die öffentlichen Haushalte erlauben. Es braucht daher ein Investitionsprogramm. Die öffentlichen Wohnungsgesellschaften müssen vermehrt bauen. Und dazu kann es auch sinnvoll sein, neue Gesellschaften zu gründen.
Auch der Bund muss Bauland für öffentliche und soziale Investoren zur Verfügung stellen. Er hält über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) und – im landwirtschaftlichen Bereich – über die Bundesverwertungs- und Verwaltungs-GmbH (BVVG) große Bestände an Boden und Immobilien. BimA und BVVG verkaufen in den allermeisten Fällen meistbietend. Das ist falsch. Die noch vorhandenen Bestände sollten Kommunen oder Genossenschaften mit der Pflicht zur Sozialbindung, zu entsprechend deutlich niedrigeren Preisen, übertragen werden. Man kann auch darüber nachdenken strategisch zuzukaufen, um in Deutschland eine Bodenvorratspolitik umzusetzen.
Kann eine Kommune oder die öffentliche Hand nicht selber bauen, sollte sie den Boden nicht verkaufen, sondern ein Erbbaurecht einräumen. Nach Ablauf dieses Rechts fällt das Grundstück wieder an die öffentliche Hand zurück. So verhindern wir das alte Problem im sozialen Wohnungsbau, dass nach Ablauf der Bindungsfrist die Wohnungen zu Geld gemacht werden. Sie würden dann einfach in die öffentliche Hand fallen. Auch die BimA könnte, statt an Private zu veräußern, ein Erbbaurecht vergeben.


6. Bewältigung der Corona-Folgen

Besonders für junge Menschen sind die in der Corona-Krise notwendigen Beschränkungen eine enorme Belastung. Unsere Bildungsinfrastruktur ist nicht auf eine solche Krise ausgelegt. Familien, die bisher schon in Armut lebten oder von ihr bedroht sind, verlieren immer mehr den Anschluss an die soziale Teilhabe.

Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um unsere Kitas, Schulen, Jugendeinrichtungen usw. für die Bewältigung der Pandemie auch für die Zukunft fit zu machen? Wo sehen Sie einen besonderen Handlungsbedarf?

Die Corona-Pandemie stellt unser Land und die ganze Welt vor eine nie dagewesene Herausforderung. Es ist deshalb unbedingt notwendig, dass wir unser Gesundheitssystem weiter stärken und zugleich die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise auffangen.
Bund, Länder und Kommunen müssen für den Sommer 2021 ein gemeinsames Maßnahmenpaket zur körperlichen und seelischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Familien schnüren. Spätestens zum neuen Schuljahr sollen sich Kinder und Familien auf tragfähige Unterstützungsangebote verlassen können.
In einem Autor*innenpapier skizzieren die Grüne im Bundestag bereits ein solches Maßnahmenpaket für die Sommer Unterstützung. Im Besonderen wird hierbei ein Augenmerk auf die gravierenden Folgen der Einschränkungen für Gesundheit, Psyche und die Entwicklung von Kindern und Heranwachsenden gelegt. Das Autor*innenpapier beinhaltet hierbei ein konkretes Maßnahmenpaket zur körperlichen und seelischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Familien.
Darüber hinaus muss das Ende der Pandemie der Start für bessere Chancen für Kinder und Jugendliche sein. Gemeinsam müssen wir als Gesellschaft dafür sorgen, dass die Pandemie die soziale Spaltung nicht verfestigt. Schon vor der Pandemie ist jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut aufgewachsen und hingen Bildungschancen enorm vom Bildungserfolg der Eltern ab. Es verdienen aber alle Kinder und Jugendliche eine gute Zukunft.
Deshalb müssen jetzt alle Verantwortlichen an einen Tisch und auf einem Zukunftsgipfel für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit Maßnahmen für grundlegende strukturelle Veränderungen verabreden: Bund, Länder und Kommunen, Schul- und Jugendhilfeträger, Kinder- und Jugendverbände, bis hin zu Jobcentern und Jugendberufsagenturen.

Ich sehe besonderen Handlungsbedarf in der Sicherstellung der körperlichen und geistigen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen vom Ende der Pandemie bis in die Zukunft, um Herausforderungen robust entgegentreten zu können. Darüber hinaus müssen Bildungschancen und -einrichtungen gestärkt werden und auf die Zukunft vorbereitet werden. Hierbei müssen wir uns zum einen den aufgezeigten Schwächen und Schwierigkeiten widmen und zum anderen positive Erfahrungen klug fortführen. Hierbei ist es ebenfalls bedeutend, das enorme Arbeitspensum und Engagement der Mitarbeiter in den besagten Einrichtungen wertzuschätzen und zu würdigen. Kitas, Schulen, Jugendeinrichtungen sollten mit guter Infrastruktur unterstützt werden und dringend mit weiteren Digitalisierungsschritten voranschreiten.
Von äußerster Bedeutung hierbei ist, dass bei allen Maßnahmen der Weg zur inklusiven Gesellschaft einschlagen wird.


7. Psycho-soziale Gesundheit von jungen Menschen

Durch die Corona-Pandemie und ihrer sozialen Folgen ist die Zahl der psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen und damit familiäre Probleme in unserer Gesellschaft nochmals erheblich gestiegen. Dieses Thema wird uns noch lange beschäftigen.

Wie kann zukünftig (auch über die jetzige Corona-Krise hinaus) die psycho-soziale Gesundheit und Versorgung von Kindern und Jugendlichen und deren Familien gewährleistet werden?

Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf besonderen Schutz. Kinder müssen bei Entscheidungen gehört werden, ihre Rechte und ihr Wille müssen im Mittelpunkt stehen. Überall, wo mit Kindern umgegangen wird, muss Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere über Beteiligung, über den Schutz vor Kindeswohlgefährdung und vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, zur Voraussetzung werden. Regionale Netzwerke gegen jegliche Gewalt gegen Kinder müssen flächendeckend aufgebaut und gesichert werden. Sie ermöglichen ein stimmiges Miteinander von Jugendämtern, unabhängigen Fachberatungsstellen und anderen Bereichen der sozialen Arbeit, der Bildung und der Erziehung. Hierzu gehören Standards für Prävention, Personalausstattung, Fortbildungen sowie insbesondere für Beratung und Therapie, die selbstverständlich eine gute Finanzierung voraussetzen. Durch den Aufbau eines erforderlichen Netzwerks und eine ausreichende Finanzierung möchten wir diesem Thema die Beachtung schenken, welcher es bedarf. Hinzu kommt eine frühzeitige Förderung von Fachkräften um den Therapiebedarf der Zukunft decken zu können.